1. Tag Samstag, 20.Mai.1995

Trotz aller möglichen schlechten Wettervorhersagen strahlten uns heute morgen beim Aufwachen Sonne und blauer Himmel entgegen. Nur die Lufttemperatur hielt sich mit etwa 12° C in Grenzen. Pünktlich 8.00 starteten wir – voll beladen bis zum letzten möglichen Kilo. Das Motorrad zeigte einen Kilometerstand von 17.555 an.

18.30 Uhr  Wir haben 485 km hinter uns – bei Temperaturen zwischen 13 und 9° C! Es hatte sich doch sehr schnell bewölkt. So sehnten wir jedes Wolkenloch herbei, damit uns die Sonne etwas wärmt. Ab und zu tat sie uns auch diesen Gefallen, doch insgesamt ging sie mit ihren Strahlen sehr sparsam um.

Dennoch fuhren wir Vormittag von 8.00 bis 11.30 Uhr (fast) durch bis zu einem Motorest bei Most. Das (fast) bezieht sich auf den Grenzübergang Zinnwald, wo wir eine ganze Weile stehen mussten. Ich ging dann spazieren und wollte letztlich einen Tee trinken, da ich doch ganz schön fror. Kaum hatte ich jedoch den schönen, heißen Tee in den Händen – sah ich die Kolonne mitsamt Bert und dem Motorrad sich in Bewegung setzen. Und nicht etwa langsam, sondern in einem sehr zügigen Tempo! Da musste ich zuerst mit dem heißen Tee, dann ohne ganz schnell hinterher rennen. So ging es bis über die Grenze weiter – ich im Laufschritt neben dem fahrenden Bert. Also: So schnell gehe ich nicht mehr weit weg vom Motorrad bzw. denke, dass es noch ewig dauern könnte!

Von Most aus ging es über Plzen (eine sehr hässliche Stadt, wo wir lieber zügig durchfuhren) zum Grenzübergang Bayrisch Eisenstein. Dann hatte uns Deutschland wieder. Nach einer Weile fing es auf einmal an mit Regen (aber erst weit nach dem Ort Regen, den wir u. a. durchfuhren). Bert war dann auch ziemlich geschafft und ich mächtig durchgefroren, deshalb suchten wir uns in Landau a.d. Isar (im Herzen Niederbayerns) ein Nachtquartier. Wir fanden ein recht hübsches im „Hotel zur Post“ und sogar preiswert mit 80,- DM inkl. Frühstück. Nun haben wir seit dem heiß geduscht, unsere Stullen gegessen, einen Spaziergang in der Stadt unternommen, in Schenkendorf Zwischenbescheid gegeben – und Abendbrot gegessen. Das reicht, jetzt gehen wir glücklich schlafen! Glücklich – aber viel mehr müde!!! (Bert sein Kommentar)

2. Tag Sonntag, 21.Mai 1995

Gestern noch in Deutschland mitten im Herzen Niederbayerns – heute 455 km weiter mitten in den italienischen Alpen, genauer gesagt in Cortina d’Ampezzo. Dazwischen liegt sogar noch Österreich, wofür wir den Nachmittag brauchten. Unsere Fahrt führte uns von Landau nach Bad Reichenhall. Am Steinpaß durchquerten wir die österreichische Grenze und versuchten dann, zum Großglockner über die Alpenhochstraße zu fahren. Die Straße war zwar offen, jedoch nur mit Schneeketten befahrbar. Also nix für uns mit den zwei Rädern unterm Ar…

So fuhren wir von Zell am See aus weiter Richtung Mittersill, dann durch den Felbertauerntunnel (5 km lang). Davor noch hatten wir die Schneegrenze eingeholt – Bert warf nach mir sogar einen Schneeball. Doch nach dem Tunnel befanden wir uns glücklicher Weise auf der Südseite der Alpen … und es wurde zusehend besseres Wetter. Von der anderen Seite des Großglockners kann man auch ziemlich weit ran fahren – diesen kleinen Abstecher ließen wir uns nicht nehmen. Schon wegen der herrlichen Serpentinen hatte sich das gelohnt.

In Arnbach verließen wir die österr. Alpen und waren somit in den italienischen Alpen. Bis Cortina (wieder wunderschöne Serpentinen) hatten wir noch Geduld, weil wir uns die Stadt als Ziel gesetzt hatten – hier suchten wir uns nun ein Hotel. Wieder sehr hübsch, etwas oberhalb der Stadtmitte gelegen. Nun folgte fast dasselbe Ritual wie gestern: heiß Duschen, Spazieren gehen, Geld „kaufen“, Pizza genieß0en, bei Mutti Zwischenbericht geben. Und jetzt – gehen wir wieder glücklich schlafen …

3. Tag Montag, 22.Mai 1995

12.25 – Mittag essen in 2.137 m Höhe. Wir sind bereits auf unserem vierten Sattel (einer von den niedrigen), dem Grödnerjoch. Blauer Himmel, Sonne pur, hohes Gebirge und Schnee ab 1.700 m Höhe überwältigen uns. Hinzu kommen noch die Serpentinen in reichlicher Anzahl. Im Prinzip sind die Kehren trocken, doch ab und zu liegen Schneebrocken etwas in die Fahrbahn rein. Leider öfters muss auch Bussen ausgewichen werden. Ganz eng wird es dann, wenn beides in einer engen Kehre zusammentrifft. Da blieb mir das Herz mal kurz stehen. Brücken oder Tunnel sind z. Z. noch nicht so toll, weil sich dort drin der Schnee hält. Ich kann jetzt nicht weiter schreiben – Bert ist heiß auf die nächsten Sattel!

{Bert schrieb} So, und jetzt ist nur noch eins heiß, mein A….! Inzwischen ist es schon 18.30 Uhr, unser Zelt ist am Gardasee aufgebaut und wir warten auf Spaghetti und Pizza.  Heut haben wir 282 km geschafft, von Cortina d’Ampezzo bis Citron oder Lemon … oder so ähnlich. Dabei sind wir jedoch über acht (!) Gebirgssättel in den Dolomiten. Und davon sechs über 2.000 m. Der höchste war 2.240 m! Nur 13 m weniger als der Prinzensattel (unser Lieblingssattel in der Hohen Tatra). Das heißt, wir sind mit dem Motorrad über den Prinzensattel!!!  Und zur Landschaft nur ein Satz – Quatsch, ein Wort: unbeschreiblich! So, und jetzt kann Jana weiter Schreiben. Die will aber nicht mehr! Sie wollte nur noch schreiben, dass die Kehren ganz eng waren, dass ich Probleme hatte, so eng zu lenken!

Und es ist jetzt das eingetreten, wovon ich zwei Tage geträumt habe: Es ist warm, ich friere nicht mehr!

 5. Tag Mittwoch, 24.Mai 1995.

Gestern ging es gar nicht mehr mit schreiben, weil wir nach 484 km kurz vor 22.00 Uhr erst in unserem Hauptziel angekommen waren: Wir sind auf einem Campingplatz in Piani di Vallecrosia, kurz vor Monaco! Damit brauchen wir mit unseren Klamotten bis Montag früh nicht mehr herumreisen.

Gestern die Fahrt ist eigentlich wieder nicht zu beschreiben. Zuerst den Gardasee lang runter bis zu einem seiner Zipfel (aber noch lange nicht das Ende) brauchten wir noch einmal eine ¾ Stunde. Nun kam ein etwas „langweiliges“ Stück Flachland, auch Poebene genannt. Um schneller woran zu kommen, nahmen wir auch etwas Autobahn in Kauf – mit 6,- DM waren wir dabei.

Nach der Autobahn fuhren wir direkt auf die Küste, auf Genova zu. Vor der italienischen Mittelmeerküste ist aber alles bergig – so durchfuhren wir eine wunderschöne, lieblich geschwungene Berglandschaft. Am schönsten war die Tour durch ein Tal, wo unten ein mittelgroßer Fluss sein Bett durchs Gestein gegraben hatte und die Straße weit oben jeden Berghügel mitnahm. … Und es waren viele Hügel, also auch viele, viele schöne Kurven. Dieses Mal keine Tornantis!

Das nächste Erlebnis hieß Genova. Eine riesige Stadt, die schon weit in den Bergen begann, sich bis zur Küste erstreckt und dann auch noch eine Weile an der Küste entlang weit „fließt“. Genova ist wohl so richtig typisch italienisch, ich meine: Schmale Straßen, viel Verkehr und jeder fährt kreuz und quer! Und wir nun mit unserem deutschen Ordentlichkeitsbewusstsein mitten durch! Im neuen Teil ging es ja noch, aber in der Altstadt!!! Doch Bert fuhr uns tapfer wie ein kleiner Italiener durch Genova. Bzw. bis kurz vor der Küstenstraße. Dort wollte er dann lieber ein Stück Autobahn fahren, um schneller aus diesem italienischen Chaos raus zu sein. Er verfehlte aber die richtige Autobahn und fuhr – zurück!!! Waren wir gerade glücklich unten durch gefahren, fuhren wir oben zurück! So nach dem Motto: „Darf ich noch mal?“ Aber bei der nächsten Abfahrt drehten wir einfach vor der Mautstelle um und erlebten mit dieser Autobahn unser nächstes Abenteuer.

Italiener sind nämlich die echten Lemminge unter den Europäern. Sie bauen Brücken in Ausmaßen, dass einem fast Höhenschwindelig wird, wenn man drüber fährt. Und sie buddeln Tunnel in die Berge, als wenn die nur aus Sand gebaut wären. Die Autobahn jedenfalls besteht nur aus Brücken und Tunnel! 

20.30 Uhr  Wieder haben wir einen überaus erlebnisreichen Tag hinter uns. Früh schliefen wir lange aus und bummelten dann etwas durch den Ort. Frühstück in Form eines Stückes Pizzabrot und „uno piccolo café“ gab es in einer Bar. Das sollte bis zum späten Abend unsere einzige Mahlzeit bleiben. Denn erst jetzt gerade haben wir Abendbrot in einer lang ausgesuchten Pizzeria gegessen.

Dazwischen lag: Monaco bzw. Monte Carlo. Und die Formel 1.

Eigentlich sollte es ja eine Tour in’s französische Land werden. Aber erst mussten wir schauen, wieweit Monaco entfernt ist und wie es dort aussieht, wo die Strecke liegt, wo unsere Sonntags-Plätze sind. Daraus – aus dem „nur“ Schauen“ – wurde ein voller Nachmittag; sehr heiß, sehr stressig. Denn in Monaco sahen wir, dass die F1-Strecke noch frei war. Also hatte Bert das dringende Bedürfnis, einmal rund um den Kurs zu laufen. Dabei entdeckten wir am Meer die Aushilfs-Boxengasse – und wir konnten in das Gelände hinein!!! Obwohl später nur noch welche mit Karten rein kamen. Bert hatte glücklicherweise schon vor dem besagten Eingang ein Programm gekauft. So hatte er was parat, als Alesi, Verstappen, Flavio Briatore, Coulthard, Hill und letztendlich auch Schumi ihm unbedingt ein Autogramm geben wollten. Regelrecht hinterher gerannt sind sie ihm! (Oder war es doch andersherum?)

 6. Tag Donnerstag, 25. Mai 1995

Der heutige Tag stand natürlich ganz im Zeichen der Formel 1. Wobei wir früh beinahe nicht um 7.00 losfahren konnten, weil der Campingplatz einfach noch zugeschlossen war. Die Frau Wärterin schloss uns aber extra auf – das nenn ich Service.

In Monaco erwischten wir einen ganz tollen Aussichtspunkt auf die Strecke: Direkt vor dem Fürstenhaus hoch über der Stadt. Von dort oben konnten wir einerseits in die ersten Boxen schauen und die „Flundern“ („Flundern hat Jana nur geschrieben, weil sie nicht auf ‚Boliden’ kam!“ Quatsch, die sahen eben wie Flundern aus!) oder auch Formel-1-Autos genannt von dem Moment an gut sehen, wenn sie aus dem Tunnel kamen – bis hin zum Beginn der Start/Ziel-Gerade. Und das ist fast die Hälfte der Strecke! Zum Nulltarif – was wollten wir mehr? Höchstens vielleicht ein bisschen weniger Wind, doch wir hatten ja Jacken mit.

Das freie Training und das Zeittraining waren sehr spannend. Schumi fuhr kurz raus und war immer sofort bester Rundenzieher. Doch beide Male schaffte es Alesi, der wie ein Teufel um den Kurs flog, Schumi zu übertrumpfen. Das wird ein heißes Rennen am Sonntag. Dann sind wir wieder mit dabei.

 7. Tag Freitag, 26. Mai 1995

Es regnete! Es regnete bis in den späten Vormittag und dann noch mal am frühen Nachmittag. Da wurde nichts mit einer Tour entlang der französischen Küste, sondern eher ganz langes Ausschlafen … Vorn bei der Rezeption konnten wir wenigstens im Trockenen frühstücken. Dabei entdeckten wir auf einem handgemalten Plan vom Ort einen Supermarkt. In einer Regenpause machten wir uns auf die Suche – und fanden den Markt tatsächlich. Im Prinzip war es dasselbe wie bei Allkauf oder so – nur alles auf Italienisch. Rechtzeitig zum nächsten Regenguss waren wir zurück: mit Essen und mit einer deutschen Zeitung. Da hatten wir erst einmal genug zu tun.

Als dann gegen 14.00 endlich der Regen wieder aufhörte, ließen wir zunächst Zelt und Sachen etwas trocknen und spazierten später den Strand entlang Richtung Ventemiglia. Dort war gerade Markt. Dabei stellten wir für uns fest, dass die polnischen, italienischen und spanischen Märkte alle ziemlich ähnlich sind: Es gibt viel Schund. Allerdings war der italienische Markt der teuerste. Ein hübsches großes Tuch z.B. 40,- DM umgerechnet! Nee, nee, nich mit uns!

Wir setzten uns lieber am Rand in eine Pizzeria, aßen Ravioli und Spaghetti und amüsierten uns herrlich über ein paar Schwarze, die unbedingt Uhren und Taschen loswerden wollten. Übrigens: obwohl Ventemiglia noch italienisch ist, hörten wir fast nur französisch. Also sind die Italiener für die Franzosen das gleiche wie die Polen für uns!

8. Tag Samstag, 27. Mai 1995

Die ganze Nacht hat der Regen an unser Zelt geklopft. Aber wir haben ihn nicht rein gelassen. Bert sein nachspannen gestern hat geholfen. An nur zwei Stellen ist es feucht geworden. Trotzdem haben wir schlecht geschlafen.

Umso schöner war allerdings der Morgen – blauer Himmel und die wieder einmal strahlende Sonne begrüßten uns. So konnten wir draußen vor dem Zelt frühstücken (vom Zeltwart bekamen wir noch Tisch + 2 Stühle!). Für unsere Verhältnisse spät (gegen 10.00 Uhr) durfte sich unser Motorrad mal wieder bewegen. Unser Ziel hieß Nizza oder Nice auf französisch. Dabei kamen wir natürlich zu einer Zeit durch Monaco, als gerade das freie Training lief. Und durch Zufall hielten wir gerade an einer Stelle oberhalb der Strecke, von wo aus man sogar eine Videowand und zwei Streckenabschnitte sehen konnte! Mit diesem Wissen war klar, wo wir gegen 13.00 Uhr sein würden – in Monaco bzw. wenige Meter vor dem Ortsschild.

Nizza lohnt sich wahrscheinlich so und so nur, wenn man Zeit hat und eventuell einen Einkaufsbummel unternehmen möchte. Wir spazierten nur kurz ein Stück am Hafen entlang, dann ging es wieder Retour. Wir entdeckten dabei, dass es zum Einen oben und zum Anderen unten am Meer je eine Straße gibt. Und dann muss man ja noch die Autobahn hinzurechnen. Also drei Straßen – aber trotzdem viel Betrieb!

Das Zeittraining verlief so, dass Bert via Fernglas alles genau verfolgte und mir regelmäßig erzählte, wie der Stand ist. Hill und Schumacher übertrumpften sich gegenseitig, doch leider behielt Hill dieses Mal die Oberhand. Damit startet morgen Schumi von Platz 2. Trotzdem auch eine gute Ausgangslage!

Nach dem Training entschieden wir uns doch noch für eine Fahrt in das Hinterland. Oh je, dort erwarteten uns Kehren über Kehren – oder besser: eine in Falten gelegte Straße! Ein paar Mal nahm Bert zur Sicherheit in den Rechtskehren sogar das Bein herunter, so eng waren die. Oben auf den Gipfeln kamen wir immer den Wolken sehr nahe. Die hatten sich dort nämlich verfitzt und fanden den ganzen Tag nicht raus. Vor der Küste und mitten in den Bergen hatten wir dagegen blauen Himmel.

In Ventemiglia hielten wir und aßen wieder in der gleichen Pizzeria wie gestern Ravioli und Spaghetti. Und wenn ich endlich mal fertig bin mit dem Schreiben, gehen wir vor zur Pizzeria und essen Abendbrot. Wir können leben!

9. Tag Sonntag, 28. Mai 1995

Das war selbstverständlich ein Formel-1-Tag mit neun Stunden stehen. Aber es hat sich gelohnt und unser Daumendrücken an der Strecke half: Schumi ist "the Winner“ des 53. Grand Prix in Monaco!

Abends krönten wir unseren letzten Tag in Italien und Schumis Sieg mit einem vorzüglichen Abendessen in „unserer“ Stamm-Pizzeria am Meer.

Übrigens fuhren wir hier an der Küste in Italien und Frankreich insgesamt 319 km.

10. Tag Montag, 29. Mai 1995

Zwischen heute Morgen, 7.30, und heute Abend nach 20.00 liegen 793 km!!! Wir verabschiedeten uns vom Mittelmeer, fuhren am Gardasee vorbei, lernten der Brenner-Pass kennen, durchflitzten noch etwas unentschlossen Österreich, fuhren letztendlich durch und schlafen nun hier in Schechen kurz nach Rosenheim in einer Pension.

11. und letzter Tag Dienstag, 30. Mai 1995

Morgens beim Aufstehen erwarteten uns schwarze, regengeschwängerte und tiefhängende Wolken. Dennoch kamen wir trocken durch und kamen nach 10 ¾ h Fahrt und 588 km in Cottbus an. Es hätte keine Viertelstunde später sein dürfen, denn dann ging ein mehrstündiges, äußerst schweres Gewitter los. Christophorus  hatte die schützende Hand über uns gehalten!

Das waren somit in diesen elf Tagen „on Tour“ 3.406 km, die uns unsere Yamaha treu und brav quer durch halb Europa schleppte.